Einmal Segeln über den Atlantik. Seit ich mit 11 Jahren das erste Mal auf einem Boot war, hege ich diesen Traum. Im Januar 2022 wurde er Wirklichkeit. Als Co-Skipper auf der SY FRIENDSHIP nahm ich an der ersten ARC January teil. Meine Erlebnisse, habe ich in meinem Tagebuch festgehalten.
Dass sich mein Kindheitstraum erfüllt, verdanke ich Marion und Rainer Ebert. Die beiden Eigner der SY FRIENDSHIP machen ein Sabbatical, leben den Traum von einem Leben an Bord und bieten unter dem Dach ihrer Firma Mara1One Yachting exklusive Segelreisen an.
Für die lange Tour benötigen die beiden eine weitere Hand. Und das bin ich.
Die restliche Crew ist in die Schiffsführung nur bedingt einzubinden. Es handelt sich um drei Damen zwischen 70 und 81.
Die Vorbereitungen
Wir haben eine Woche zur Vorbereitung. Während wir täglich von morgens bis abends arbeiten, ist es auf den anderen Schiffe noch sehr ruhig. Mehrfach fragen wir uns, ob dort auch gearbeitet wird. Aber letztlich ist es uns egal, denn uns ist wichtig, dass wir gut vorbereitet sind, um rund drei Wochen lang unterwegs zu sein.
Wir führen Checks an den Motoren durch, inkl. Ölwechsel, Tausch der Keilriemen und Dieselfilter, prüfen Elektrik sowie Rigg und nehmen kleinere Reparaturen vor.
Immer wenn wir an Bord gehen, bleiben die Schuhe am Steg. Alles was von Land an Bord gebracht wird, muss vorher einmal abgewaschen werden, um nicht etwa Insekten-Larven an Bord zu bringen, die sich dann während der Überfahrt zu einer Plage entwickeln könnten.
Die größte Herausforderung ist die Proviantierung. Was essen und trinken sechs Personen pro Tag und wie lange werden wir unterwegs sein? Wir stellen einen Essensplan für einen Zeitraum von rund 20 Tagen auf. Bereits im Vorfeld hatte Marion etwaige Allergien und Vorlieben abgefragt.
Neben ausreichend Mineralwasser von zwei bis drei Litern pro Person pro Tag kaufen wir Softdrinks wie Cola oder Fanta. Snacks sowie Obst und Gemüse dürfen natürlich nicht fehlen.
Samstag, 8. Januar 2022:
Noch ein Tag bis zum Start: Im Skippersbriefing werden die Offiziellen deutlich. Sie empfehlen die südlichere Route, da sich im Norden ein umfangreiches Tiefdruckgebiet mit starken Winden gebildet hat. Darüber hinaus warnen sie vor Flüchtlingsbooten, die zwischen der afrikanischen Küste und den Kanaren und auch noch weiter westlich unterwegs sein können. Wir sollen in der Nacht verstärkt Ausguck gehen und bei Sichtung mit deutlicher Entfernung daran vorbeifahren und der ARC sowie dem spanischen MRCC eine Info geben.
Sonntag, 9. Januar 2022 – es geht los, wir Segeln über den Atlantik!
Heute geht es endlich los. Der Moment des Auslaufens ist gigantisch. Am Leuchtturm und überall auf den Molen stehen Menschen, Klatschen, Winken und Johlen. Ein Gänsehautmoment. Erst in diesem Moment wird mir bewusst, dass der lang gehegte Traum endlich wahr wird. Ein Moment, den ich niemals vergessen werde.
Nach dem Auslaufen aus dem Hafen, bläst uns der Wind direkt auf die Nase. Während ich den Bug im Wind halte, setzen Marion und Rainer die Segel. Im dritten Reff, denn der Wind kommt mit 26 Knoten aus Südwest. Trotz der nur ca. 55 teilnehmenden Schiffe ist es rund um die Startlinie ganz schön voll. Viele Schiffe, die das Spektakel beobachten wollen, kreuzen um uns herum.
Um 12.45 Uhr dann der Start, wir müssen Kreuzen. Also fahren wir nach der Startlinie erstmal gen Osten, um dann später auf einen südlicheren Kurs zu gehen. Wir haben eine fiese kabbelige Welle und schon nach kurzer Zeit werden die ersten drei Personen Seekrank.
Die ARC Flotte hat sich bereits nach wenigen Stunden verstreut. Viele Schiffe fahren einen direkten Westkurs. Wir entscheiden uns aufgrund des Tiefdruckgebietes im Norden und der Seekrankheit dreier Mitseglerinnen für die südlichere Route.
Montag, 10. Januar 2022:
Wind und Welle haben sich beruhigt, den anderen geht es wieder besser.
Als der Wind am Abend ganz einschläft, starten wir den Motor und bergen die Segel. Während des Manövers freuen wir uns über den ersten tierischen Besuch. Eine Delfinschule begleitet uns für rund 30 Minuten. Ein wunderschönes Schauspiel im Sonnenuntergang.
Wir fahren unter Motor in die Nacht. Das erste technische Problem taucht auf: Wir haben kein Radarbild, auch das AIS zeigt nichts an. Grundsätzlich kein Problem, haben wir doch seit mehr als 24 Stunden kein anderes Schiff mehr gesehen. Doch wir befinden uns noch immer unweit der Flüchtlingsrouten.
Wir müssen also verstärkt Ausguck halten. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl. In meiner Wache frage ich mich immer wieder, wie ich ein solches Boot denn in der finsteren Nacht ohne Helligkeit von Mond oder Unterstützung durch das Radar erkennen soll. Die Antwort lautet: Gar nicht, nur mit Glück. Mein Blick schweift regelmäßig über den Horizont, um möglichst früh etwas zu erkennen.
Wenn ich während meiner Ausguck-Runde am Heck stehe und in den sternenklaren Himmel schaue, geraten diese Gedanken aber in den Hintergrund. Dann freue ich mich einfach, im hier und jetzt zu sein und diese Schönheit der Natur genießen zu dürfen. Dann will ich nie wieder etwas anderes machen, als zu segeln.
Dienstag, 11. Januar 2022:
Rainer macht Reparaturen und Wartungsarbeiten, reinigt den Wassermacher, sodass wir uns ab sofort zusätzlich mit Frischwasser versorgen können.
Unter Groß und Gennaker müssen wir in der Nacht verstärkt auf den Wind und den Kurs achten. Hin und wieder spinnt der Autopilot. Größere Kursschwankungen sind bei uns daher an der Tagesordnung. Ich beobachte permanent den scheinbaren Wind, um eine Patenthalse im Zweifel abwenden zu können. Den Baum haben wir zwar mit einer Art Bullenstander gesichert, aber dennoch wollen wir jedes Schlagen vermeiden. Ansonsten ist alles ruhig.
Mittwoch, 12. Januar 2022:
Um 1200 kommt die Positionsliste der Schiffe. Wir sind auf Platz 20 vorgerückt. Einige Boote sind deutlich nördlich gefahren und geben mächtig Gas. Bei uns ist der Wind noch immer sehr unbeständig und den Passat haben wir noch nicht gefunden. Der neueste Wetterbericht sagt schwache Winde aus Südwest vorher. Daher entscheiden wir uns dazu zu halsen und erstmal etwas nordwestlich zu fahren. Leider gibt es den nächsten Technik-Knacks. Die Positionslichter sind ausgefallen.
Trotz dieser Ausfälle bin ich entspannt. Ich genieße es sehr, dass ich hier sein darf, in diesen wunderbaren Sternenhimmel gucke und das Zusammenspiel von Technik und Natur erleben darf. Hinzu kommt ein ziemlicher Luxus, den wir hier an Bord erleben. Allein das heutige Mittagessen übertrifft vieles. Mittags gab es T-Bone-Steaks mit Kartoffeln und Gemüse, abends schlemmen wir Bruschetta. So gut esse ich sogar zu Hause nur sehr selten.
Donnerstag, 13. Januar 2022:
Heute haben wir ein großes Ziel: Das AIS zum Laufen zu bringen. Rainer findet schnell die passende Steckverbindung. Nun müssen wir das Kabel verlegen. Vom Kartentisch, durch den Generatorraum, eine Kabine, unterm Salon entlang, hoch zum Kartentisch. Was für eine Fummelarbeit. Rainer und ich kriechen gefühlt durch das ganze Schiff. Aber, wir schaffen es. Nach gefühlt einer Ewigkeit haben wir nun endlich auch AIS Ziele auf dem Schirm.
Normalerweise ist schon der Sonnenauf- oder Untergang beeindruckend. Den Mond beim Untergang zu beobachten, ist mindestens genauso wunderschön. Phänomenal. Nun haben wir nichts als Wasser und einen klaren Sternenhimmel um uns herum. So beeindruckend und wunderschön. Schade, dass sich dieses Schauspiel nicht fotografieren lässt.
Freitag, 14. Januar 2022:
Um die Mittagszeit briest der Wind auf, wir können Segel setzen, müssen aufgrund des Westwindes aber Kreuzen. Nach einigen Stunden auf Kurs, wenden wir auf Südost, da wir nicht zu sehr nach Norden kommen wollen. Laut Wettervorhersage dominiert dort immer noch das Tiefdruckgebiet, das wir aufgrund seiner starken Winde um 8 Beaufort gern vermeiden möchten.
Denn schon die aus Norden kommende Dünung hat es in sich, lässt uns ordentlich schaukeln. Durch den teilweise Ostkurs in der Kreuz, kommen wir der Karibik nur langsam näher. Aber was soll man machen? Und unsere Präferenz steht fest: Lieber Kreuzen oder Motoren, als mit den Gästen durch Sturm zu fahren.
Samstag, 15. Januar 2022:
Unser Ziel heute: Das Radar zum Laufen zu bringen. Als Rainer uns nach der Vorbereitung zeigen will, wo wir während er noch im Mast ist, am Plotter prüfen müssen, ob das Radar nun funktioniert, erleben wir eine Überraschung: Plötzlich funktioniert das Radar. Ein Wunder und wir schauen mal, wie lange es funktioniert. Also räumen wir alles wieder weg, setzen den Gennaker wieder durch und prüfen dabei auch einmal das Fall.
Sonntag, 16. Januar 2022:
Jetzt sind wir schon eine Woche unterwegs. Ich schreibe unseren täglichen Blog und noch während ich dabei bin, trudelt die aktuelle Positionsliste ein. Wir liegen auf Platz 16. Seit ich das erste Mal die Positionsliste aufgemalt habe, um die Abstände zu visualisieren, gehört das zu meinen alltäglichen Aufgaben an Bord.
Mittags hören wir plötzlich ein Schlagen. Es ist der Gennaker. Unterhalb des Kopfes hat sich eine Tasche gebildet, in die auf Am-Wind-Kurs der Wind weht und dadurch das Segel zum Schwingen bringt. Wir müssen handeln. So schnell es geht fiere ich das Fall und Rainer zieht den Gennaker nach unten, denn von Sekunde zu Sekunde wird die Tasche größer. Die Gefahr durch das Schlagen dem Vorstag zu schaden, steigt. Rainer hat richtig mühe, das große aufgerollte Segel zu bergen. Als es auf dem Vorschiff liegt, müssen wir es sichern.
Ich picke mich ein, gehe aufs Vorschiff. Mit mehreren Tampen binde ich den Gennaker am Trampolin fest. Dabei Stampfen wir über den Atlantik. Ich bekomme die Wellen von unten durchs Trampolin und von oben ab. Schon nach kurzer Zeit gewöhne ich mich daran und genieße jede Sekunde. Beim Stampfen habe ich immer wieder das Gefühl gleich abzuheben. Aber durch die Lifebelts bin ich gesichert und weiß, dass mir nichts passieren kann. Ein Glück nur, dass die Rettungsweste bei den Wassermengen nicht auslöst.
Montag, 17. Januar 2022:
Die Zeit vergeht wie im Fluge. Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen Wache, Freiwache, kleineren Reparaturen/Wartungen, Essen und Schlafen. Heute entwirren Rainer und ich den Gennaker. Das hat es in sich. Wir müssen ihn am Hals und am Schothorn abschlagen und einmal komplett entwirren. Es ist ein riesiges Chaos so viel Tuch, in Teilen aufgerollt und in Teilen lose. Zum Glück ist das Wetter heute ruhig und wir können auf dem Vorschiff rumturnen, ohne wieder von allen Seiten nass zu werden. Anschließend haben wir ausreichend Wind, um ihn auch direkt zu setzen und wieder einzurollen. Denn zum Segeln reicht der Wind mit 3 Knoten leider nicht aus.
Dienstag, 18. Januar 2022:
Wir haben viel Glück mit den Squalls. An allen Seiten sehen wir, wie der Regen fällt, doch wir bleiben verschont. Allerdings sind wir noch immer unter Motor unterwegs. Noch 1738 Seemeilen, bald haben wir die Hälfte der Strecke hinter uns. Hoffentlich kommt bald etwas mehr Wind, denn bis St. Lucia würde der Diesel nicht reichen.
Mittwoch, 19. Januar 2022:
Ich genieße die Abgeschiedenheit auf See. Ich könnte ewig so weiterfahren. Die Ruhe und die Klarheit, die der Atlantik ausstrahlt, ist einfach einmalig.
Am Morgen bekommen wir über das Iridium eine Mail von der ARC. Sie enthält erschütternde Nachrichten. Die BRAINSTORM hat einen Ruderschaden mit Wassereinbruch. Wir sind noch rund 150 Seemeilen hinter ihr, bieten unsere Hilfe an. Aber andere Boote der ARC sind näher dran. Jeder von ihnen nimmt zwei Crewmitglieder der BRAINSTORM auf. Das Schiff wird aufgegeben.
Der letzte bekannte Standort ist 18°50´N und 034°30´W. Wir rechnen damit, dass die Strömung sie mit ca. einem Knoten nach Südwesten versetzt. Wir notieren die Position in der Seekarte und intensivieren den Ausguck. Wir sind gespannt, ob wir das Schiff irgendwann noch sehen werden, denn aktuell führt unser Kurs genau über diese Position.
Donnerstag, 20. Januar 2022:
WIND! Wir überlegen den Gennaker zu setzen, entscheiden uns jedoch dagegen. Um uns herum sind überall Squalls und der Himmel zieht sich weiter zu. Schon kurze Zeit später fliegen wir mit 8 Knoten nur so dahin. Was für ein geniales Gefühl! Obwohl die Welle sukzessive zunimmt, macht es einfach jede Menge Spaß. Ich fühle mich hier an Bord einfach pudelwohl. Ich vertraue Rainer und seinen Fähigkeiten und lerne die FRIENDSHIP von Tag zu Tag besser kennen.
Als ich am Steuerstand stehe und immer mal wieder das Steuern übernehme, denke ich nur: „Wow, ist das geil!“ Es ist ein unbeschreibliches Gefühl des Abenteuers und der Freiheit. Mitten auf dem Atlantik, ca. 1000 Seemeilen vom nächsten Land entfernt, ohne jede Sicht nur schwarz um einen herum, nur weiße Wellenkämme kommen zwischendurch zum Vorschein. Es ist wahnsinnig schön. Ich will mehr davon! Es ist ein geniales Gefühl, das sich nur schwer beschreiben lässt.
Freitag, 21. Januar 2022:
Wir sichten immer mal wieder schwärme fliegender Fische. Kurze Zeit später kommt das erlösende Surren der Angel. Wir haben einen Fisch an der Angel. Rainer muss sehr kämpfen, um ihn an Bord zu holen. Er ist ein ganz schöner Brocken, erneut ein MahiMahi, knapp 1 Meter lang und circa 8 kg schwer. Ein schöner Fisch mit blauem Rücken und goldenen Bauch. Rainer nimmt ihn auf der Stelle aus, entfernt den Kopf, die Flossen und die Schippen. Und dann ab in den Kühlschrank. Morgen wollen wir ihn dann zubereiten.
Samstag, 22. Januar 2022:
Der neue Wetterbericht ist ernüchternd. Schwachwindig mit erhöhter Squall-Gefahr. Deshalb bergen wir das Groß. Kurze Zeit später leuchtet der Himmel immer mal wieder auf – Wetterleuchten. Je später es wird, desto intensiver tritt es auf. Auf dem Radarschirm tauchen immer wieder Squalls auf. Es sind richtig große und umfangreiche Gebilde, die viel Wind und Regen mit sich bringen. Da wir unter Maschine laufen, weichen wir ihnen aus. Alles, das nicht zwingend am Strom hängen muss, wird ausgeschaltet und abgestöpselt. Die Squalls werden immer mehr. Kaum ist einer vorbei, zieht der Nächste auf. Innerhalb kürzester Zeit steigt die Windgeschwindigkeit von acht auf 22 Knoten.
Montag, 24. Januar 2022:
Gleich knacken wir die 1000-Seemeilen-Schallgrenze. Die Mowgli hingegen müsste schon längst im Ziel sein. Die hatte heute früh um 10 nur noch 70 Meilen bis zur Rodney Bay.
Mittwoch, 26. Januar 2022:
Wir sind unter Gennaker unterwegs, als in den frühen Morgenstunden der Wind aufbrist. Von maximal 14 Knoten geht er plötzlich hoch auf mehr als 22 Knoten, Tendenz steigend. Mittlerweile machen wir grandiose 11 Knoten Fahrt. Aber unter Gennaker ist das zu viel. Also ab in die Rettungswesten, ich aufs Vorschiff, Rainer an die Schot. Ich ziehe was das Zeug hält und bin nur froh darüber, dass ich meine Handschuhe angezogen habe. Denn immer wieder rauscht mir die Reffleine aus. Da ist einfach zu viel Druck drin. Ich rolle Zentimeter für Zentimeter weg.
Dann ist es wie verhext. Kaum ist der Gennaker weggerollt, schläft der Wind wieder ein, wir setzen den Gennaker keine 10 Minuten nach dem Wegrollen erneut. Ein ziemliches Frühsport-Programm.
Am Abend sehen wir zum ersten Mal seit Abfahrt ein anderes ARC-Schiff. Es ist die ATARAXIA, wie wir kurz auf dem AIS erkennen können. Doch kurz danach ist das Signal weg. Das Schiff sehen wir aber noch mit dem Auge, sie scheinen das AIS wohl zu haben. In der Dämmerung verlieren wir dann den Augenkontakt und auch in der Nacht können wir keine Positionslichter erahnen.
Freitag, 28. Januar 2022:
Die ersten vier ARC-Schiffe sind mittlerweile im Ziel. Die Mowgli, Volare, Mrs. G. und Styliana. Wir liegen noch gut im Mittelfeld.
Nach nun knapp 20 Tagen auf See werden unsere Vorräte langsam weniger. Heute brechen wir die letzte Gasflasche an. Auch mit dem Diesel müssen wir aufgrund des vielen Motorens haushalten. Aber mit Lebensmitteln sind wir noch gut versorgt. Einige Dinge wie Joghurt sind mittlerweile aufgegessen. Doch wir haben noch etwas frisches Obst und Gemüse und auch noch jede Menge anderer Dinge. Wir werden also auch während der restlichen Zeit auf See noch sehr gut Essen und Trinken.
Samstag, 29. Januar 2022:
Heute bekommen wir wieder ein Update der ARC. Die Crew der BRAINSTORM ist in der Zwischenzeit in der Karibik angekommen. Das Schiff selbst wurde von einem Bergeunternehmen auf den Haken genommen und ist nun auf dem Weg zurück nach Gran Canaria. So schlimm kann der Wassereinbruch also doch nicht gewesen sein.
Nach meiner Nachtwache setze ich mich noch nach draußen, um den Sternenhimmel zu beobachten. Da wir aktuell Neumond haben, ist der Sternenhimmel noch heller als sonst und ich kann noch mehr Sterne sehen. Gefühlt können wir bis in die nächste Galaxie schauen. Einfach unfassbar schön. Diese Weite, die einen absolute Freiheit empfinden lässt. In mir stellt sich ein Gefühl der absoluten inneren Zufriedenheit ein, das ich hier an Bord der FRIENDSHIP schon so manches Mal empfunden habe.
Und dann kommt hier noch eine Sternschnuppe nach der anderen. Insgesamt vier Stück in 30 Minuten. Das ist auch eine absolute Seltenheit.
Sonntag, 30. Januar 2022:
Heute ist ein wirklich schöner Segeltag und wir machen ordentlich Strecke gut. Und dann passiert es: Erst fällt der Gennaker ein, dann runter. Es geht alles so schnell, der Gennaker ist im Wasser. Wir müssen versuchen irgendwie ihn zurück an Bord zu ziehen. Er darf auf keinen Fall in den Propeller kommen. Es ist ein ganz schöner Kraftakt. Mit vereinten Kräften, teils außenbords hängend, gelingt es uns den Gennaker an Bord zu holen und zu sichern. Da der Wind in der Zwischenzeit etwas auffrischte, können wir nun unter Genua weiterfahren und Kreuzen vor dem Wind.
Montag, 31. Januar 2022:
Die letzten 100 Seemeilen sind angebrochen. Unsere Positionslichter konnten wir bislang nicht reparieren. Rainer hat aber ein Provisorium am Mast angebracht. So werden wir wenigstens etwas gesehen. Denn nun bricht die heiße Phase an.
Dienstag, 1. Februar 2022:
Der letzte Tag auf See ist angebrochen. Wir haben noch rund 50 Seemeilen vor uns. Es sind gemischte Gefühle, die an diesem letzten Tag aufkommen. Zum einen ist da die Vorfreude darauf, die Familien zu kontaktieren und wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Aber gleichzeitig könnte ich noch tagelang so weitersegeln.
„Land in Sicht“. Rainer entdeckt gegen 18 Uhr die Hügel von St. Lucia voraus. Unterdessen haben wir mit dem Wind zu kämpfen. Er will nicht so richtig wehen und wir dümpeln mit 3 Knoten Fahrt vor uns hin. Hinter uns kommt die ATARAXIA immer näher. Wir entscheiden uns daher erneut das Großsegel zu setzen. So kurz vor dem Ziel überholt zu werden, kommt für uns nicht in Frage. Die Zeit vergeht wie im Flug. Eben haben wir die Nordspitze St. Lucias gerundet, kommt auch schon Pigeon Island in Sicht und wir fahren in die Rodney Bay ein.
Als wir um 02:21:03 die Ziellinie überqueren hören wir einen langen Ton vom ARC Schiff. Danach kommt aus dem Funkgerät das Lied „We are the champions“. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl und mich überkommt Gänsehaut. Wir haben es wirklich geschafft. Ich kann es noch gar nicht realisieren. Wir sind da und haben knapp 3.000 Seemeilen auf dem Atlantik hinter uns gebracht.
Nun müssen wir in der Rodney Bay nur noch die Segel bergen und dann geht es in den Hafen. Dort werden wir von den ARC Offiziellen schon erwartet. Sie nehmen uns die Leinen ab und begrüßen uns mit hochprozentigen und vitaminreichen Willkommenspaket.
Nach 24 Tagen auf See stoßen wir auf unser Abenteuer an. Nun müssen wir nur noch einklarieren und dann können wir die Insel erkunden.