Schraube verloren im Strelasund

Es sollte ein entspannter Segeltörn werden. Doch dann verloren wir die Schraube - nur das Leitwerk bewahrte uns davor, in der Brücke zu enden.

Nach den ersten Monaten im Covid-Lockdown wollten mein guter Freund Fabi und ich einfach nur aufs Wasser. Es sollte ein entspannter Mitsegel-Törn werden. Doch schon am zweiten Tag, war der Törn fast beendet. Wir haben unsere Schraube verloren. 

Wir treffen uns Samstags an Bord der SY Pegasus in Greifswald. Neben Fabi und mir sind der Skipper Michael und drei weitere Gäste an Bord von denen zwei Segelanfänger sind. 

Nach einem ersten entspannten Segeltag, verbringen wir die Nacht in der Marina Neuhof. 

Am Montag wollen wir durch den Strelasund Richtung Hiddensee segeln. Da wir die Öffnungszeiten der Ziegelgrabenbrücke vor Stralsund abpassen müssen, sind wir unter Motor unterwegs. Ich stehe am Ruder, steuere langsam auf die Brücke zu. Obwohl ich ausgekuppelt habe und das Getriebe auf Leerlauf steht, machen wir noch zwei Knoten fahrt. Bis zur Brückenöffnung sind es noch 15 Minuten. Da wir bei dieser Geschwindigkeit zu schnell an der Brücke wären, lege ich den Rückwärtsgang ein. Doch es passiert nichts. Ich gebe mehr Gas, doch noch immer passiert nichts. Skipper Michael übernimmt das Ruder, probiert seinerseits den Gashebel umzuschalten. Keine Reaktion. 

Wir nähern uns stetig der Brücke

Mittlerweile sind wir nur noch rund 100 Meter von der Brücke und ihrem Leitwerk entfernt, treiben mit knapp zwei Knoten unaufhörlich darauf zu. “Leinen und Fender raus”, kommandiert Michael schnell. Und wir reagieren sofort, ich öffne die Backskiste, geben Leinen und Fender raus. Beim nächsten Blick nach vorn sind wir schon fast am Leitwerk. Michael steuert uns bewusst darauf zu. Die Hoffnung: Wir können daran irgendwie festmachen, um nicht unter die Brücke zu gelangen. Denn das würde uns in erhebliche Gefahr bringen. 

Wir haben unsere Schraube verloren, konnten uns nur notdürftig am Leitwerk der Ziegelgrabenbrücke festmachen.
In letzter Minute holen wir Fender und Leinen raus, machen notdürftig am Leitwerk der Ziegelgrabenbrücke fest.

Ich schnappe mir eine Leine. Schon wenige Sekunden später schrappen wir am Leitwerk entlang. Die Leine hat sich leider komplett vertörnt, am Leitwerk gibt es kaum etwas, woran man sich festhalten oder die Leine befestigen kann. Aber irgendwie müssen wir zum Stehen kommen. Ich nehme also mein Knäuel und werfe es einfach ins Leitwerk, halte ein Ende noch an Bord fest. Und ein Glück: Es scheint zu greifen. 

An allen Ecken und Enden knartzt und scheuert es. Die Reling ist eingedrückt, GFK und Teak abgeplatzt. Doch wir kommen zum Stehen, treiben nicht weiter auf die Brücke zu. Puh, Glück gehabt. Wir atmen eine Sekunde durch. Aber dann geht es weiter. Wir müssen die SY PEGASUS richtig am Leitwerk festmachen. Nun mit etwas Ruhe geht das. Anschließend informieren wir die Verkehrszentrale. Sie informieren den Verkehr und wir sollen uns darum kümmern, schnellstmöglich aus dem Leitwerk zu kommen. 

Wir üben uns in Geduld…

Haben wir die Schraube verloren?

Wir schauen uns den Motor an. Geben nochmal Gas – vorwärts und rückwärts. Wir haben keine Schraubenwirkung. Also haben wir sie verloren? Was nur zwei Wochen nach einem Werftaufenthalt unmöglich scheint, ist eingetroffen. Wir informieren die Verkehrszentrale. Denn nun steht fest: Aus eigener Kraft können wir das Leitwerk nicht verlassen. 

Dank „Hertha Jeep“ der DGzRS kommen wir vom Leitwerk weg.

Zum Glück haben wir eine Ersatzschraube an Bord. Doch wo können wir eine 46-Fuß-Yacht Kranen? Die Verkehrszentrale macht langsam Druck. Die BG Verkehr hat unsere Betriebserlaubnis auf Eis gelegt. Doch wir müssen vom Leitwerk weg. Wir rufen das MRCC. Das Seenotrettungsboot “Hertha Jeep” der DGzRS kommt uns zur Hilfe. Sie nehmen uns Längsseits auf. Die Strömung ist nach wie vor sehr stark. Beim Drehen im engen Strelasund kommen wir der Brücke extrem nahe. Doch es gelingt. Dank der guten Schiffsführung der “Hertha Jeep” kommen wir frei. Sie bringen uns zu einem geeigneten Ankerplatz. Dort können wir verschnaufen, erstmal in Ruhe frühstücken und nach einer passenden Kran-Möglichkeit suchen. 

Stralsund sagt ab, wir sind zu schwer. Kröslin könnte uns am nächsten Tag Kranen, doch bis dahin sind es noch rund 25 Seemeilen, die wir ohne Motor zurücklegen müssen. 

Nach Rücksprache mit der Marina Kröslin, der BG Verkehr und der Verkehrszentrale bekommen wir eine Sonder-Betriebserlaubnis. Wir dürfen bis zum Fahrwasser von Kröslin segeln und uns dort dann in Schlepp nehmen lassen. Der Wind kommt aus Südost. Wir müssen im engen Strelasund kreuzen.Permanent halten wir Kontakt zur Verkehrszentrale, sehen auch immer wieder Schiffe der Wasserschutzpolizei in unserer Nähe. 

SeaHelp bringt uns sicher in die Marina Kröslin.
Die Pegasus im Kran…
Der klare Beweis, da fehlt etwas, wir haben unsere Schraube verloren

Am frühen Abend erreichen wir dann die Peenemündung, lassen uns von SeaHelp in die Marina Kröslin schleppen. 

Dort legen wir uns erstmal längsseits an einem Steg an. Nun können wir entspannen und gehen abends lecker essen.

Am Dienstag um 08:00 Uhr sollen wir in den Kran. Und pünktlich geschieht das. Das kleine gelbe Boot von SeaHelp bugsiert uns Richtung Kran, löst die Leinen und wir treiben langsam hinein. Dort stehen schon alle bereit, um unseren Leinen anzunehmen. Kurze Zeit später ist die PEGASUS weit genug aus dem Wasser und unsere Befürchtung bewahrheitet sich: Wir haben die Schraube verloren. 

Während die Werft arbeitet, besorgen wir uns Frühstück. Um 11.00 Uhr ist die PEGASUS wieder im Wasser. Wir legen ab, können unseren Törn fortsetzen. Unser heutiges Ziel ist Lohme. 

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