Motorschaden im Sturm – unter Segeln anlegen

Bei viel Wind und Welle waren wir unterwegs, als auf einmal der Motor ausfällt. Motorschaden Ausfall Motor

Mein erster Törn als Skipper ging in die dänische Südsee, der Plan einmal rund Fünen. Nach schwachen Winden in den ersten Tagen, nahm der Wind in der zweiten Wochenhälfte kontinuierlich zu. Auf dem Weg von Bagenkop nach Gelting überlegte ich das erste Mal in meinem Leben, ob ich die Seenotretter rufen müsse. Der Grund: Ein Motorschaden.

Typisches Herbstwetter. Doch an den ersten Tagen hatten wir noch ruhige Bedingungen.
Typisches Herbstwetter. In den ersten Tagen hatten wir noch ruhige Bedingungen.

Es ist schon sehr kalt, als wir im Oktober aufbrechen, um einmal Rund Fünen zu segeln. Es ist mein erster Törn als Skipper und ich habe drei Freunde dabei: einen sehr erfahrenen Co-Skipper – Roger, einen mit SKS – Fabi und einen Segel-Anfänger – Julian. Das Boot ist eine Dufour 40 E Performance mit dem Namen “PASSION”. Die ersten Tage liefen sehr entspannt. Nach Stopps in Middelfart und Ballen auf Samso, geht es über Kerteminde nach Bagenkop. In der zweiten Wochenhälfte nahm der Wind kontinuierlich zu. Als wir am vorletzten Tag in Bagenkop aufbrechen, haben wir Starkwind, fast schon Sturm. Unser Ziel ist Gelting. 

Kurs auf Gelting

Die kurvige Hafenausfahrt in Bagenkop ist bei den starken Winden gar nicht so leicht zu nehmen. Mit hoher Geschwindigkeit fahren wir hinaus. Vor dem Hafen bekommen wir den Wind direkt auf die Nase. Da die PASSION schon bei weniger starken Winden sehr luvgierig und nur schwer zu Steuern war, entscheiden wir uns dafür, unter Motor den direkten Kurs Richtung Gelting zu laufen. Wind und Welle nehmen stetig zu und auch unter Motor ist es nicht leicht, die PASSION auf Kurs zu halten.  Das Stampfen und die Kälte macht uns allen zu schaffen. Zwei Crewmitglieder leiden unter Seekrankheit, übergeben sich und müssen Medikamente nehmen. Wir wechseln uns regelmäßig am Steuer ab. 

Motorschaden auf Höhe Aero

Auf Höhe von Aero sinkt plötzlich die Motordrehzahl. Erst denke ich, einer der Jungs wäre an den Gashebel gekommen. Doch dem ist nicht so. Wir schalten in den Leerlauf, geben anschließend vorsichtig wieder Gas. Doch sofort schwankt die Drehzahl erneut. Wir sind für den Moment manövrierunfähig, treiben in der hohen und kabbeligen Welle umher. Ich reagiere. Während Fabi weiterhin am Steuer steht, setze ich die Rollgenua.

Irgendwie müssen wir die Manövrierfähigkeit wieder herstellen. Nach einigen Minuten erlangen wir unter Genua wieder die Kontrolle über die PASSION. Wir fahren zwar fernab unseres Kurses, können aber zumindest steuern. Wir gehen so hoch es geht an den Wind. Auf Am-Wind-Kurs mit schleifendem Groß setzen wir das Großsegel im zweiten Reff. Es ist ein ziemlicher Akt, da wir doch immer wieder Druck im Segel haben. Nach einigen Minuten schaffen wir es aber, das Segel durchzusetzen. Da Gelting genau im Wind liegt, müssen wir kreuzen. 

Bei Starkwind macht die PASSION nur wenig Freude.

Dieselpest oder Dreck im Tank?

Wir trimmen die Passion so gut es geht, fahren mit enormer Krängung und viel Druck auf dem Ruder. Bei jeder Bö besteht die Gefahr eines Sonnenschusses. Wir kommen gut voran, wechseln uns regelmäßig ab. Roger checkt unter Deck den Motor. Seewasser- und Luftfilter sind ok. Den Dieselfilter können wir nicht erkennen, da er in einem undurchsichtigen Gehäuse sitzt. Unsere Vermutung: Dieselpest oder Dreck, der sich vor die Kraftstoffleitung gelegt hat und so den Motorschaden verursacht. Wir telefonieren mit dem Vercharterer. Doch er kann uns auch nicht helfen. Wir kreuzen also weiter Richtung Geltinger Bucht. 

Nach einiger Zeit hören wir über Kanal 16 ein MAYDAY. Eine Person ist bei Aero über Bord gegangen und wird nun gesucht. Da wir selbst nur bedingt manövrierfähig sind, behalten wir unseren Kurs bei und fahren nicht zur Unterstützung zurück. Wir haben aber weiterhin ein Ohr auf Kanal 16. In den nächsten Stunden hören wir, wie sich die suchenden Schiffe austauschen, wie der Such-Korridor erweitert, die Person aber leider nicht gefunden wird. 

Klar am Anker und klar an der Genua

Am frühen Abend kommen wir in der Geltinger Bucht an. Dort sind Wind und Welle deutlich ruhiger. Wir entscheiden uns, den Motor nochmal zu testen. Unsere Hoffnung: Durch das Stampfen in der Welle hat sich Dreck im Tank los gerüttelt und vor die Kraftstoffleitung gesetzt, der sich nun bei ruhigerer See wieder setzt. Wir fahren also langsam durch die Geltinger Bucht und warten etwas ab. Als wir den Motor ca. 45 Minuten später starten, funktioniert er. Bei einigen Testkreisen macht er keine Probleme. Wir entscheiden also nicht das MRCC zu rufen und um Hilfe zu bitten, sondern selbst unter Motor in den Hafen zu fahren.

Für den Fall, dass der Motor wieder Probleme macht, machen wir den Anker klar zum fallen und bereiten die Genua vor. Julian geht aufs Vorschiff und macht sich bereit den Anker fallen zu lassen, Roger und Fabi sind an der Genua, während ich steuere. Die Einfahrt in den Hafen von Gelting ist sehr schmal. Einmal schrappen wir kurz auf, doch mit Rückwärtsgas und etwas anderem Anfahrwinkel kommen wir nicht fest. Mit wenig Gas und sensiblem Steuern fahren wir in den Hafen und machen in einer Box fest. Wir sind erleichtert, dass wir heile angekommen sind. 

Segeln wir trotz Motorschaden nach Flensburg?

Den Abend über beschäftigt uns aber eine Frage: Wie soll es am Freitag weitergehen? Bringen wir das Schiff wie vorgesehen zurück nach Flensburg oder steigen wir in Gelting aus? Die Wettervorhersage des DWD sagt 8 Beaufort vorher. In der Flensburger Förde ist meist jedoch mit mehr zu rechnen. Ich bin unentschlossen, was wir machen sollen. Doch Roger kitzelt meinen Ehrgeiz. Nach Rücksprache mit dem Vercharterer steht fest: Wir legen am Freitagmorgen ab und schauen, wie sich der Motor verhält, segeln dann nach Flensburg. 

Kaum sind wir am morgen wieder in der Geltinger Bucht und setzen das Großsegel, schwankt die Motordrehzahl erneut. Wir schalten den Motor direkt aus. Das Problem kennen wir ja nun schon. Mit gerefftem Groß und kleiner Genua segeln wir also nun Richtung Flensburg. Wir haben mindestens 8 Beaufort, in Böen geht es teilweise hoch bis 10, dazu Regen. Das ist Wetter, bei dem man eigentlich nicht unterwegs sein möchte. Aber wir ziehen es durch.

Bis Holnis kommen wir gut voran, doch danach müssen wir erneut Kreuzen. Fabi steht mit meinem Tablet im Niedergang, navigiert uns durch die Förde. Auf der Kreuz wollen wir jeden Meter ausnutzen, um nicht unnötig viel Raum zu verlieren. Ich bin an an der Großschot. Zwei mal über die Winsch gelegt, fahre ich sie aus der Hand, fiere sie in den Böen und hole sie anschließend wieder dicht. Roger bedient in den Wenden die Genuaschoten und Julian steht am Steuerrad. Wir fahren in der engen Förde eine Wende nach der anderen, sind schnell nass und durchgefroren, aber hochkonzentriert. 

Unter Segeln in den Hafen

Zwischendurch telefoniere ich immer wieder mit dem Vercharterer, halte sie auf dem Laufenden darüber wo wir sind. Den ursprünglichen Plan, uns vor Wassersleben in Schlepp zu nehmen und in den Hafen zu schleppen, verwerfen sie. Auch dort in der Bucht ist die Förde zu unruhig. Ein Schleppmanöver wäre bei der Welle zu gefährlich. Wir sollen in die Marina Sonwik segeln. Gegenüber der Tankstelle ist ein Steg, der für uns frei gemacht werden soll, sodass wir dort anlegen können. 

Mir ist bei dem Gedanken daran ganz mulmig. Doch wir haben keine andere Wahl. Ich übernehme das Steuer. Vor der Flensburger Schiffbaugesellschaft drehe ich uns in den Wind und wir bergen das Großsegel. Die Jungs binden alle Fender an Backbord fest und bereiten die Leinen vor. Besonders wichtig ist die Achterleine. Sie muss im Hafen schnell übergeben und festgemacht werden, um uns zu stoppen. Wir rollen die Genua fast komplett ein, lassen nur noch ein kleines Stück stehen, um genug Vortrieb zu haben. Ich starte den Motor, lasse ihn zusätzlich im Leerlauf mitlaufen in der Hoffnung, dass wir ihn im Notfall doch nutzen können. Wir segeln also nun in den Hafen.

Auf Höhe der Hafeneinfahrt rollen wir auch das letzte Stück Genua weg. Am Steg erkenne ich schon einen Mitarbeiter des Vercharterers. Durch die Abdeckung im Hafen werden wir etwas langsamer. Ich fahre ein klassisches Längsseits-Anlegemanöver, nur ohne Maschine. Die Leinen werden übergeben und schnell befestigt. Ich gebe einen kleinen Rückwärtsschub, es ruckt einmal, dann kommt die Passion zum Stehen. Wir machen das Schiff komplett fest und sind einfach froh, heile angekommen zu sein. 

Bevor wir packen, gönnen wir uns erstmal ein Bier und ein Fischbrötchen.  

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