Meine Yachtmaster Offshore Prüfung

Meine Yachtmaster Offshore Prüfung mit Prüfer Mike

Nach 9 Tagen intensiver Vorbereitung im Solent steht sie bevor: Die Prüfung zum Yachtmaster Offshore. So habe ich die 10 Stunden mit dem Prüfer erlebt. 

Donnerstag – Prüfungstag: Es ist 08:15 Uhr. Ich sitze nervös am Tisch und trinke einen Schluck Tee. Eigentlich sollte unser Prüfer erst um 09:00 kommen, doch er sitzt schon jetzt mit uns am Tisch. Bei Tee und Croissants lernen wir ihn ein wenig kennen. Mike. Ein Seebär aus dem Solent. In der Marina von Yarmouth ist er zu uns an Bord gekommen. 

Welch eine Idylle am Morgen unserer Yachtmaster Prüfung

Nach dem Frühstück geht es Schlag auf Schlag. Während die Crew das Boot aufräumt und seeklar macht, prüft Mike unsere Unterlagen: Reisepass, Funkschein – SRC, Erste Hilfe Nachweis und – ganz wichtig – bringen wir ausreichend Meilen mit? Wir sind bestens vorbereitet; es ist alles in Ordnung.

Sicherheitsunterweisung unter Deck

“Maren, bitte gib Du eine Sicherheitseinweisung unter Deck, Günther, du machst dann an Deck weiter”, gibt Mike den Startschuss zur Prüfung. Also geht es los. Ich gebe unserer “Competent Crew”, wie Mike sie nennt – also einer Crew mit etwas Segelerfahrung, eine Einweisung unter Deck.

Ich erkläre der Crew die Lage der Seeventile, gebe einen Überblick über das Gassystem und die Funktionsweise unseres Herdes, gehe auf die Vorgehensweise bei Gasalarm ein. Anschließend erkläre ich die Standorte unserer Feuerlöscher und Erste-Hilfe-Materialien. Puh, der erste Teil ist geschafft. Der Blick in die Gesichter meiner Crew verrät: Ich bin auf einem guten Weg.

Never forget WOBBLE 

Ein Engine Check im Rahmen der Yachtmaster Offshore Vorbereitung

Mit positivem Gefühl meistere ich nun auch die zweite Hälfte. Ich erkläre den täglichen Check der Maschine, nutze dabei die W-O-B-B-L-E-Methode. Water, Oil, Belt, Bilge, Liquids, Electric. Eine gute Eselsbrücke, um beim Engine-Check auch nichts zu vergessen. Dann fehlt nur noch die Rettungsweste.

Kleine Sprachschwierigkeiten beim Yachtmaster Offshore

Zuerst zeige ich der Crew die Rettungsweste, welche die Bestandteile sind und worauf beim Anlegen besonders zu achten ist. Anschließend folgt dann der obligatorische Check der Rettungsweste. Ist die CO2-Patrone in Ordnung? Wie ist der Zustand des Automaten? Funktioniert das Leuchtmittel und ist der Prüfstempel vorhanden und aktuell? Zwischendurch fallen mir die Vokabeln nicht ein. Hilfesuchend schaue ich meine Crew an, sie springt mit den passenden Übersetzungen ein. Dankbar lächle ich sie an und atme tief durch, als die erste Hürde gemeistert ist.

Sicherheitseinweisung an Deck

Anschließend übernimmt Günther. Bevor wir an Deck gehen, führt er noch einen “Radio Check” durch. Er funkt die Küstenwache an und lässt sich dadurch bestätigen, dass wir gut zu hören sind. 

An Deck erklärt er uns dann die Funktionsweise der Rettungsinsel, Seenotsignalmittel und wann und wie diese eingesetzt werden. Er weist uns in den Umgang mit Winschen und Leinen ein, erklärt die Funktionsweise des Ankers und die Bewegung an Deck.

Doppelt checken

Dann wird es ernst, das Ablegen rückt näher. Wir ziehen uns an, machen das Boot fertig. Während ich an Deck gehe, sehe ich aus einem Augenwinkel, dass Mike nochmal in die Nasszelle geht. Anschließend bitte ich ein Crewmitglied, nochmal alle Ventile und Fenster zu checken. Und siehe da: Mike hatte ein Seeventil nochmal geöffnet. Doppelt checken ist nie verkehrt.

Dann geht es wirklich los: Mike bittet Günther zunächst einmal, das Heck des Bootes rund 35 Grad vom Steg wegzubewegen und dann wieder längsseits zu kommen. Anschließend legt er ab und soll auf der gegenüberliegenden Seite des Stegs wieder anlegen. Routiniert meistert Günther diese beiden Übungen mit Bravour.

Wert auf Leinenarbeit

Nun bin ich dran. Bevor ich mit dem Manöver beginne, lasse ich nochmal einige Leinen ändern. Die Achterleine ist mit dem Palstek durch die Klampe gelegt, das mag ich nicht und lasse es korrigieren. Mike sieht es und nutzt natürlich die Gelegenheit. Er fragt mich nach der Funktion der Leine und wieso wir sie durch die Lippklampe führen. Ich stehe ihm Rede und Antwort, lasse anschließend alle Leinen unter seinen wachsamen Augen richten. Dann ist es an mir das Heck zunächst 35 Grad vom Steg weg- und wieder längsseits zu bringen. Dann lege ich ab, indem ich in die Achterspring eindampfe. Ich soll direkt in Richtung Hafenausfahrt steuern und dabei die Segel setzen.  Also mache ich das. Während ich meine Crew anleite, stellt Mike mir verschiedene Theoriefragen.

Ein Dreieck segeln 

Als die Segel gesetzt sind, geht der Motor aus. Mike stellt mir die nächste Aufgabe: “Bitte segle ein Dreieck – Am Wind, Raum-Wind, Halbwind”. Etwas verunsichert, ob ich wegen der Sprache etwas falsch verstanden habe, hake ich nach. “Ein Dreieck, ok. Vermutlich soll es Wende und Halse beinhalten?”, frage ich unsicher nach. Mike bestätigt und ergänzt: „Bitte halte jeden Kurs für zwei Minuten“.  So fahre ich meinen Kurs, meine Wende, falle ab, halte wieder meinen Kurs und fahre meine Halse. Währenddessen absolviert Günther Aufgaben unter Deck.

No Engine!

Kaum bin ich nach dem Manöver wieder auf Kurs, sehe ich zwei Fender aus dem Augenwinkel über Bord fallen. “Fender over Board, no Engine” heißt es von Mike. Sofort starte ich mein Manöver und fahre eine Wende. Vor Nervosität und Stress fallen mir jedoch nicht sofort die richtigen Begriffe ein, sodass es eine deutsch-englische Kommandosprache wird. 

Anschließend fahre ich unter Segeln weg, wende und fahre wieder zurück. Mein Anfahrtswinkel ist jedoch nicht gut. Also noch einmal wegfahren, Wende und wieder hin. Aufgrund des schwachen Windes dauert das lange. Aber beim zweiten Versuch bekommen wir die Fender gut eingefangen.

Starke Strömungen im Solent
Starke Strömung durch Spring-Tide

Versegelungspeilung zum Ziel 

Als wir wieder Fahrt aufgenommen haben, fragt Mike, was ich bei der Bergung von Personen aus dem Wasser zu beachten habe und welche Gefahren auch nach der Bergung noch lauern. 

Dann übernimmt Günther das Ruder und Mike drückt mir einen Zettel in die Hand: “Bring mich zu diesem Punkt, nutze dabei eine dreifache Peilung und eine Versegelungspeilung”, sagt unser Prüfer. Ich begebe mich also unter Deck und mache mich an die Arbeit. Währenddessen wird Günther unter Segeln geprüft. Mit der Versegelungspeilung finde ich einen aktuellen Standpunkt. Mit drei Fixpunkten komme ich zu unserem Ort.

Kurze Entspannung

Von hier an übernimmt Günther mit einem Pilotage Plan. Er bringt uns in den Newton River. Dort legen wir an einer Mooring-Boje an. Mike lässt mich noch den Bridle erklären. Dann ist erst einmal Pause angesagt. Es ist schon 13 Uhr, also Mittagessen. 

Währenddessen löchert Mike uns mit Fragen, wieso wir den Yachtmaster machen und wie wir auf den Solent gekommen sind.

Eine weitere kleine Falle

Kaum habe ich den letzten Bissen gegessen, gibt Mike mir die nächste Aufgabe. Ich soll einen Pilotage Plan aus dem Newton River heraus vorbereiten und dann einen Course to Steer zum Beaulieu-River berechnen, ich habe dafür 15 Minuten Zeit.  

Vor dem Ablegen checken wir erneut alle Fenster und Ventile – und siehe da, Mike hat uns erneut auf den Prüfstand gestellt und eine Luke geöffnet. Wie gut, dass wir ihn wieder erwischt haben.

Zwei Dinge gleichzeitig

Ich lege ab und steuere aus dem Newton River heraus. Währenddessen fragt Mike erneut mein theoretisches Wissen ab. Während ich den Back-Transit steuere, erläutere ich meinem Prüfer die Unterschiede von AIS und Radar. 

Dann übernimmt unsere Crew das Steuer. Günther und ich berechnen unter Deck die Höhen der Gezeit für zwei Orte im Beaulieu-River. Wie immer nutze ich die deutsche Kalkulation. Aber das reicht Mike nicht. Er möchte von mir die Krokodil-Kalkulation sehen. Ich werde hektisch, denn darin habe ich wenig Erfahrung. Aber mit etwas Nachlesen bekomme ich es hin. Anschließend bekomme ich den Auftrag, eine Positionsbestimmung mittels Radar zu machen, bevor wir dann unter Deck mit der Theorie weitermachen. 

Theorieprüfung unter Deck

Rule 19 hat uns ganz schön ins Schwitzen gebracht.

Ich weiß nicht, wie lange es dauert. Mike fragt mich allerhand zu Symbolen auf der Seekarte, legt mir Flip Cards mit Lichtern und Tagsignalen vor, lässt mich Fragen zum Wetter beantworten und spielt mit mir die Kollisionsverhütungsregeln durch. Zu guter Letzt fragt er mich nach der “Rule 19”. Ich weiß, dass sie etwas mit Nebel zu tun hat, kann die Frage aber nicht genau beantworten. Er schickt mich zum Nachlesen, nimmt derweil Günther in die Mangel. Auch er hat Probleme mit Rule 19, sodass wir gemeinsam nachlesen und anschließend unser neues Wissen vor der versammelten Crew kundtun.

Wollt ihr mir noch etwas zeigen?

Mittlerweile ist der Wind komplett eingeschlafen, die Strömung hat eine Spitzengeschwindigkeit von 4,5 Knoten erreicht. Günther und ich atmen gerade unter Deck durch, als Mike zu uns kommt. “Findet Ihr, dass die Prüfung fair verläuft?” – “Ja”, antworten Günther und ich unisono. “Habt ihr das Gefühl, dass Ihr mir noch irgendetwas unbedingt zeigen wollt?” – Günther und ich schauen uns an, entscheiden uns für ein klares “Nein”. Das Resultat unserer Antwort: Wir fahren zurück nach Yarmouth in den Hafen.

Das Feedback Gespräch unserer Yachtmaster Offshore Prüfung an Land
Das finale Feedbackgespräch mit Mike am Steg von Yarmouth

“You did it like a Yachtmaster”

Beim Feedbackgespräch am Steg, fragt Mike mich zunächst, wie ich die Prüfung empfunden habe. Ich erkläre, womit ich zufrieden und weniger zufrieden war. Und dann kommt endlich die Erlösung. “Deine Sicherheitseinweisung war sehr gut, aber dein Mann-über-Bord-Manöver hat etwas zu lange gedauert. Aber insgesamt hast Du eine sehr gute Leistung abgelegt”, erklärt Mike. Dann gratuliert er: “You did it like a Yachtmaster!”

YES WE DID IT!

Anmerkung: Jede Prüfung ist anders und dauert unterschiedlich lang. Mike hätte uns die ganze Nacht lang prüfen dürfen. Hin und wieder ereilen mich Zweifel und ich frage mich, ob meine Prüfung nicht zu lasch war. Aber dann sage ich mir: Wäre Mike nicht davon überzeugt gewesen, dass wir es können, dann hätte er uns noch wesentlich länger und detaillierter prüfen können.

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