Was bin ich nur für ein Glückspilz. Maren nimmt an der ARC January teil, segelt als Co-Skipper von Mara1One über den Atlantik. Und wie sollte es anders sein: Ich bin mit von der Partie.
Anfang Januar sitzen wir also im Flieger nach Gran Canaria. Von hier aus startet die Flotte der Atlantic Rallye for Cruisers (ARC) am 9. Januar in Richtung Karibik. Das Ziel ist St. Lucia. Ich bin ganz schön aufgeregt. Wir sind zwar schon mal von Malaga nach Lanzarote gesegelt, aber das hier ist etwas ganz anderes. Damals waren wir fünf Tage am Stück unterwegs, jetzt werden es rund drei Wochen auf dem Atlantik sein. Knapp 3000 Seemeilen, also rund 5.600 Kilometer liegen vor uns.
Vorbereitungen für den Atlantik
In der ersten Woche müssen wir unser Boot – die FRIENDSHIP – noch vorbereiten. Es ist ein Katamaran, knapp 16 Meter lang und 9 Meter breit. Katamaran bedeutet, sie segelt auf zwei Rümpfen und bietet extrem viel Platz – zum Spielen, aber auch zum Verlaufen.
Knapp eine Woche lang machen Maren und Skipper Rainer Wartungsarbeiten, Reparaturen und verstauen Ersatzteile. Marion kümmert sich unterstützt von Maren um die Proviantierung. Das ist für 6 Personen unddrei Wochen ganz schön viel. Ich halte mich bei alledem lieber raus, schaue nur zu. Ich will schließlich keine Ölflecken auf meinem Fell. Und die schweren Einkäufe kann ich eh nicht tragen.
Zwischendurch macht Rainer immer wieder Notfallübungen mit Marion und Maren. “Ruderausfall!” ruft er übers Schiff und die beiden müssen ganz schnell die Notpinne aufsetzen und damit steuern. Alle möglichen Ernstfälle spielen die drei so durch.
Endlich geht es los!
Am Sonntag, den 9. Januar, geht es endlich los. In den Stunden vor dem Ablegen ist es hektisch: Letzte Einkäufe, alles nochmal abwaschen, Wassertanks auffüllen, das Boot seeklar machen. Und dann endlich! Als wir den Hafen verlassen, stehen viele Menschen auf der Mole. Sie jubeln, klatschen und feuern uns an. Was für ein Gefühl!
Und dann geht alles ganz schnell: Etwas eingrooven, Segel setzen und in Richtung Startlinie steuern. Wir haben viel Wind und Welle. Also gehe ich lieber unter Deck und beobachte von dort aus. Rainer und Maren können die Arbeit machen.
Es kehrt Ruhe ein
In der ersten Nacht geht es auf dem Atlantik ganz schön schaukelig zu. Drei der Mitseglerinnen haben mit Seekrankrankheit zu kämpfen, müssen sich teilweise übergeben. Leider helfen auch keine salzigen Kekse oder Ingwertee. Die Armen! Hoffentlich leiden sie jetzt nicht die ganze Zeit. Wobei, dann bliebe von dem ganzen leckeren Essen mehr für mich übrig… 😛
Maren muss von Mitternacht an vier Stunden Wache gehen. Anschließend klettert sie zu mir in unsere Doppelstockkoje. Das ist immer ein ganz schöner Akt, so ganz ohne Leiter. Für mich hängt die Decke extra so herunter, dass ich mich eigenständig hoch und runter hangeln kann. Aber ich muss ja auch nicht so häufig raus – vor allem nicht nachts.
Die Bordroutine beginnt
Als wir am nächsten Morgen aus der Koje klettern – Maren ist so nett und hebt mich herunter – haben sich Wind und Welle wieder beruhigt. Auch den Damen geht es nun wieder besser. Wir starten also ganz entspannt in den Tag.
Für Maren beginnt von nun an die Bordroutine: Vier Stunden Wache in der Nacht, sechs Stunden am Tag und jeden dritten Tag tagsüber frei. Marion, Rainer und Maren rotieren, damit jeder auch mal die angenehmeren Wachen hat.
Ich kann mir meine Zeit einteilen, wie ich möchte. Als blinder Passagier gehöre ich quasi zu den Gästen und picke mir das Beste von allem heraus. Wir spielen Karten, lesen, hören Musik oder liegen einfach faul in der Sonne. Aber ich unterstütze Maren auch gerne während ihrer Nachtwachen. Dann ist das ganze Boot still. Die Gäste sollen zwar bei den Nachtwachen unterstützen, schlafen aber ganz gerne mal im Salon ein. Dann kann Maren einen aufmerksamen Bären an ihrer Seite gebrauchen.
Delfine in Sicht
Denn während der Wache ist sie verantwortlich für das ganze Schiff. Sie muss den Kurs halten, Logbuch schreiben, den Funk überwachen – auch wenn darüber nicht viel reinkommt. Der Autopilot spinnt immer wieder, ändert einfach den Kurs oder geht aus. Da muss man aufmerksam sein und rechtzeitig eingreifen. Denn gerade unter Segeln kann eine Kursänderung ganz schön gefährlich werden.
Ein besonderer Höhepunkt der Reise ist für mich der erste Kontakt mit einer Delfinschule. Die Tiere schwimmen rund eine halbe Stunde lang neben uns her, tauchen unterm Rumpf durch und springen immer wieder hoch. Es ist ein total schönes Schauspiel. So viele Delfine habe ich noch nie gesehen. Während der Reise sehen wir immer mal wieder Delfine, andere Meerestiere wie Wale kreuzen unseren Weg aber leider nicht.
Immer wieder Flaute
Nachdem wir in der ersten Nacht mit viel Wind und Welle zu tun hatten, plagt uns in den Tagen danach Schwachwind. Wir sind dem großen Sturmgebiet im Norden so weit ausgewichen, dass wir nun immer wieder Flaute haben. Tagtäglich kämpfen Rainer und Maren darum, möglichst viel zu segeln. Doch immer wieder läuft der Motor. Sobald der Wind konstant über 12 Knoten liegt, setzen die beiden wieder den Gennaker. Das Großsegel bleibt kontinuierlich stehen.
Jede Möglichkeit zu segeln wird ausgenutzt, auch wenn der Gennaker dann teilweise schon nach einer halben Stunde wieder eingerollt wird, weil der Wind eben doch zu schwach ist. Hin und wieder erwischen wir aber auch ein Windfeld. Dann legt die FRIENDSHIP richtig los und segelt schön über den Atlantik. Aber es ist wie so häufig: Sobald der Wind auffrischt, ist auch bald schon Reffen ein Thema. In einer Nacht kommt es gleich zwei Mal vor, dass Rainer bei uns in der Kammer steht und Maren weckt.
Sie schlüpft schnell in Hose und Schuhe, zieht Rettungsweste, Stirnlampe und Handschuhe an und ist auf dem Weg zum Vorschiff. Brav eingepickt – ich habe sie immer wieder daran erinnert – rollt sie den Gennaker weg, während Rainer die Schoten bedient und die FRIENDSHIP steuert. Anschließend rollen sie die Genua wieder aus und Maren kommt zurück in die Koje.
Vorsicht vor Squalls
Je weiter wir gen Westen kommen, desto häufiger werden die Situationen, in denen wir schnell die Segel bergen oder verkleinern müssen. Der Grund dafür sind Squalls. Das sind Wolkengebilde, die sich ganz plötzlich bilden und dann viel Wind, Winddreher und Niederschlag mit sich bringen.
Unter Segeln können diese drehenden Winde sehr gefährlich werden. Tagsüber können wir Squalls gut an den Wolken erkennen, nachts sind sie durch den Niederschlag gut auf dem Radar zu erkennen. So können die Drei entweder ausweichen oder rechtzeitig die Besegelung ändern. Eine gefährliche Situation ergibt sich für uns nicht. Aber wir haben ja auch drei gute und erfahrene Segler an Bord. 🙂
So schlecht ist ein Motor nicht…
Auch wenn sie es nie zugeben würde: Nachts ist Maren insgeheim froh, wenn die FRIENDSHIP unter Motor fährt. Denn die schlafenden Crewmitglieder, der spinnende Autopilot und Squalls machen die Nachtwachen unter Segeln gar nicht so leicht. Aber das würde sie nie zugeben. Hin und wieder kommt es vor, dass sie während ihrer Nachtwache an den Steuerstand rennen und die FRIENDSHIP wieder auf Kurs bringen muss. Das ist ein ganz schöner Nervenkitzel und sie kommt dann immer ganz schön platt zurück in die Koje, wenn ihre Wache beendet ist. Aber mit einer ordentlichen Portion Kuscheln helfe ich ihr dabei, sich zu entspannen und einzuschlafen.
Auch außerhalb der Wachen haben Marion, Rainer und Maren an Bord jede Menge zu tun. Marion sorgt für leckeres Essen. Sie bäckt Brot, kreiert Desserts und zaubert tolle Gerichte. Wir haben alles von Lasagne, über Kalbssteak mit Gemüse und Röstkartoffeln bis hin zu Moussaka. Marion verwöhnt uns so richtig!
Reparaturen und Wartung
Maren und Rainer haben währenddessen mit einigen Reparaturen zu tun. Direkt in der ersten Nacht sind AIS und Radar ausgefallen. Um das wieder zum Laufen zu bringen, kriecht Rainer durchs ganze Boot, verlegt Kabel neu und überprüft Steckverbindungen. Maren assistiert ihm dabei und schon nach kurzer Zeit bekommen sie beides zum Laufen.
Etwas größere Probleme bereitet der Gennaker: Nachdem er in einer Nacht mal wieder aufgerollt werden musste, fängt er bei vorlicheren Kursen plötzlich an zu schlagen. Es hat sich eine Tasche im Segel gebildet, die immer größer wird. Maren und Rainer bergen das Leichtwindsegel, müssen es bei viel Wind und Welle auf dem Vorschiff sichern. Wie gut, dass ich trocken im Salon sitzen und alles durch die Fenster beobachten kann. Maren bekommt immer wieder Atlantik-Wellen ab – von unten durchs Trampolin und von oben. Sie wird pitschnass, während sie den Gennaker auf dem Vorschiff festbindet. Das sieht sehr lustig aus, denn Haare und Kleidung kleben an ihr. Aber sie scheint trotzdem Spaß zu haben.
Am nächsten Tag sortieren Rainer und Maren den Gennaker bei ruhigerem Wetter und setzen ihn erneut. Aber viel Freude haben wir nicht mehr an dem schönen blau-weißen Segel. Nur wenige Tage später – wir segeln bei Leichtwind entspannt weiter gen Westen- reißt das Fall. Jetzt heißt es “alle Mann an Deck”, da sind auch meine Bärentatzen gefragt. Wir müssen den Gennaker schnell aus dem Wasser ziehen, damit er sich nicht mit den Propellern verhakt. Mit vereinten Kräften schaffen wir es. Wir sichern das Segel an Bord und verschnaufen erstmal. Für die nächsten Stunden geht es unter Maschine weiter.
Fängt Rainer einen Fisch?
Tagsüber hat Rainer neben der Schiffsführung eine andere wichtige Mission: Er will Fische fangen. Dafür wirft er unsere lange Angel am Heck aus und fixiert sie an der Seereling. So muss er sie nicht die ganze Zeit festhalten und kann nebenbei noch andere Sachen erledigen. Und tatsächlich ist er erfolgreich. Während wir an Deck entspannen, sehen wir zunächst fliegende Fische an der FRIENDSHIP entlang fliegen. Kurze Zeit später hören wir ein Sirren. Es ist das erlösende Indiz: Wir haben einen Fisch an der Angel.
Rainer macht sich direkt daran, die Angel einzuholen. Maren holt Messer und Pütz. Beim ersten Versuch dauert es zu lange, der MahiMahi, ein schöner gelb-blauer Fisch, kann entwischen. Aber während unserer Reise hat Rainer noch zwei Mal Glück. Insgesamt angelt er zwei große MahiMahi, nimmt sieaus, entschuppt sieund bereitet siedann für uns alle zu. Ich beobachte das aus sicherer Entfernung. Ich möchte kein Fischblut auf meinem Fell oder der Uniform. Es reicht, wenn Maren sich einsaut.
So wie Rainer den Fischfang, hat auch Maren eine tägliche Aufgabe. Jeden Tag verschickt World Cruising um 12.00 Uhr UTC die Positionen der anderen Schiffe. Maren malt sie auf, um die Abstände zu visualisieren. Darüber freuen sich vor allem die Gäste, die sich sonst nur wenig unter den genannten Positionen vorstellen können.
Viele viele Sterne
Wir kommen dem Westen immer näher, es wird immer wärmer. Die Tage auf dem Atlantik vergehen erstaunlich schnell und es macht uns gar nichts aus, so weit von Land entfernt zu sein. Jeden Tag sieht das Meer anders aus. Es ist immer wieder schön es zu beobachten. Nachts glitzern die Wellen, wir sehen Sternschnuppen. Ganz besonders schön ist es, das erste Mal das Sternbild vom “Kreuz des Südens” zu sehen. Das kennen wir nur aus den Lehrbüchern für den Sporthochseeschifferschein. Das einmal in der Realität zu sehen, ist schon etwas Besonderes. Jeder Tag und jede Nacht ist ein Schauspiel der Natur. Ich sitze gern einfach an Deck und beobachte die Umgebung.
Üben mit dem Sextant
Die Zeit unterwegs will ich aber auch nutzen, um etwas zu lernen. Maren hat für den Sporthochseeschifferschein Astronavigation lernen müssen. Da habe ich nichts verstanden. Aber vielleicht klappt es ja besser, wenn ich es auf dem Boot probiere. Ich schnappe mir also Rainers Sextanten und probiere ihn aus. Mit meinen Tatzen ist das gar nicht so leicht.
Der Sextant ist ja fast so groß wie ich. Aber Maren hilft mir. Sie hält ihn für mich, während ich die Messung vornehme. Ich messe den Winkel zur Sonne. Mit ihm und einem weiteren Winkel kann ich dann berechnen, wo wir uns befinden. Das ist ganz schön schwierig. Aber wir haben die Formeln und einen Taschenrechner an Bord. Mit etwas Übung werde ich von Tag zu Tag besser. Und die Arbeit mit dem Sextant macht mir immer mehr Spaß.
Die ursprünglich geplanten 17-20 Tage haben wir schon überschritten. Mit unseren Vorräten kommen wir aber noch gut hin. Dennoch freuen sich alle schon auf Land, sie haben Pläne, wollen die Insel erkunden. Nur Maren und ich könnten noch ewig weiterfahren. Als dann aber nach 23 Tagen auf dem Atlantik das erste Mal Land in Sicht kommt, ist es doch ein schönes Gefühl. Alle sind ganz aufgeregt, denn es heißt, dass wir unser Ziel St. Lucia in den nächsten Stunden erreichen werden. Schon die Tage zuvor hatten wir die Meilen in hunderter Schritten heruntergezählt.
Die letzten Seemeilen auf dem Atlantik
Auf dem AIS sehen wir, dass wir nun auch wieder andere Schiffe in der Nähe haben. Hinter uns nähert sich ein Kontrahent. Den wollen wir natürlich nicht an uns vorbeiziehen lassen. Rainer holt nochmal alles aus der FRIENDSHIP heraus. Und es gelingt, wir können die Abstände halten. Wir umrunden St. Lucia und schon fahren wir in die Rodney Bay ein.
Über Funk hält Rainer Kontakt zu den ARC-Offiziellen. Wir nähern uns der Ziellinie, können sie erkennen. Nun sind alle an Deck, wollen das miterleben. Um uns herum kreist ein Schlauchboot, ein Fotograf, der unsere Zieldurchfahrt fotografieren will.
„We are the champions“
Rainer lässt es sich nicht nehmen und übernimmt kurz vor der Ziellinie das Steuerrad. Als wir die Linie queren, ertönt ein Schallsignal von einem der Zielschiffe. Über das Funkgerät hören wir das Lied “We are the Champions”. Ich habe trotz der warmen Temperaturen und meines dicken Bärenfells Gänsehaut, bei Maren und allen anderen sehe ich Tränen in den Augen.
Zeit zum Feiern bleibt jetzt aber nicht. Maren übernimmt das Steuer, startet den Motor, Rainer geht an die Schoten. Es heißt Segelbergen: Erst die Genua, dann das Großsegel. Überall in der Rodney Bay sehen wir Ankerlichter und Maren steuert uns durch.
Wir sind wirklich da! Nach 24 Tagen
Dann geht es in den Hafen. Die ARC hat einen Liegeplatz für uns reserviert, es stehen Personen bereit, um unsere Leinen entgegenzunehmen und uns ein Willkommenspaket zu überreichen. WOW, wir sind wirklich da. Wir sind in der Karibik. Glücklich und überwältigt von den Emotionen fallen wir uns in die Arme.
Nachdem die ersten Fotos gemacht sind, machen wir es uns im Cockpit bequem und stoßen erst einmal mit einem Rumpunch an.