Orca-Attacken: Unser Törn entlang der Küste

Das Resultat von Orca-Attacken. Die Champagne ist vor Barbate gesunken.

„PanPan PanPan PanPan“ schallt es aus dem Funkgerät. „Wir werden von Orcas angegriffen“. Während ich dem Funkspruch lausche, segle ich die SY FRIENDSHIP von Mara1One Yachting an der spanischen Küste entlang. Der Angriff ereignet sich keine zwei Seemeilen von uns entfernt.

An der Küste Portugals und Spaniens

Seit 2020 greifen Orcas an der Küste von Portugal und Spanien kurz vor der Straße von Gibraltar Segelboote an. Es gibt zahlreiche Spekulationen, was die Tiere dazu bewegt, mit Booten zu interagieren. Wie viele Boote den Orca-Attacken zum Opfer gefallen sind, ist ebenfalls unklar.

Nach unserer Atlantiküberquerung von der Karibik nach Europa war unser erster Anlaufhafen Lagos (Algarve). Kurz nach unserer Ankunft dort, ereignete sich der Vorfall um die SY Champagne, die letztlich beim Schleppen vor dem Küstenort Barbate gesunken ist. Über die Community rund um Orcas.pt informieren wir uns über die aktuelle Situation, tauschen uns mit anderen Seglerinnen und Seglern aus.

Flachwasser soll vor Orca-Attacken schützen

Bei den Orca-Attacken verlieren viele Segelboote ihr Ruderblatt.
Das Ruder eines Trimarans nach einem Angriff.

Anhand der Informationen entscheiden wir: Wir fahren so dicht es geht an der Küste entlang. Tieferes Wasser als 20m versuchen wir zu vermeiden, fahren wenn möglich landseitig an den Thunfischstellnetzen vorbei, Abends geht es in Buchten. Für den Fall einer Orca-Attacke haben wir Sand und Spülmittel an Bord. Das, so wurde es in der Community kommuniziert, könnte helfen, die Orcas zu vertreiben.

Die Etappe von Lagos nach Faro verläuft problemlos. Kurz nach unserer Abfahrt von Faro hören wir über Funk, dass zwei Seemeilen südlich von Faro Orcas gesichtet wurden. Wir intensivieren unseren Ausguck, stehen zu dritt auf der Flybridge der FRIENDSHIP, fahren möglichst dicht unter Land. Die Strecke Faro-Huelva und ebenfalls Huelva-Cádiz absolvieren wir so ohne Probleme.

Angriffe finden im Mai vor allem vor Barbate statt

Die Strecke ab Cádiz stellt uns vor größere Herausforderungen. Im Gegensatz zur vorhergesagten Flaute haben wir an diesem Tag Wind mit einer Geschwindigkeit von 35 Knoten aus Süd-Ost. Wir fahren die Küste entlang, passieren Stellnetze landseitig und schauen immer wieder auf den Tiefenmesser. In dieser Region rund um Trafalgar und Barbate hatten sich in den vergangenen Tagen immer wieder Orca-Attacken ereignet.

Ein Screenshot der Karte von Orcas.pt – Hier haben sich im Mai Orca-Attacken auf Segelboote ereignet.

Die Stellnetze enden nur wenige Meter vor dem Strand. Es fühlt sich immer wieder so an, als würden wir gleich an Land sitzen. Rainer steht auf dem Steuerbord-Rumpf, guckt ins Wasser und schaut mit dem Fernglas in tieferes Wasser. Bei Trafalgar glaubt er, südlich von uns Orcas zu sehen, ist sich aber nicht ganz sicher. Ich steuere die FRIENDSHIP weiter in Richtung Strand. An zwei kleinen Bojen vorbei, das Wasser hat nur eine Tiefe von 6 Metern. Als wir die letzte Boje passieren, atmen wir auf und steuern direkt wieder in tieferes Wasser. Wir haben das Stellnetz passiert und uns keine Leinen eingefangen.

An unserem Zielort Barbate angekommen, stellen wir fest: Hier wollen wir nicht über Nacht liegen. Wind und Welle stehen genau auf Bucht und Hafeneinfahrt. Das würde eine unbequeme Nacht. Also umrunden wir das Wrack der Champagne und weiter geht es.

Am nächsten Stellnetz vorbei, fahren wir nun gen Tarifa. Der Wind hat indes weiter zugenommen. Wind und Welle kommen genau gegenan, dazu kommt noch die Gezeitenströmung. Wir kommen teilweise nur mit vier Knoten fahrt voran. Immer wieder kommt Spray über. Rainer und Marion halten aus dem Salon Ausguck. Ich stehe am Steuerstand, dem Autopiloten können wir bei diesen Bedingungen nicht wirklich trauen.

Abends liegen wir immer vor Anker

Aufgrund des Windes und der Wellen können wir jedoch nicht jedes Thunfisch-Netz innen passieren. Als wir zwischen Barbate und Tarifa außen an einem vorbei müssen, gelangen wir in 40m tiefes Wasser. Ich bin nervös, schaue mich ständig um und hoffe einfach, dass uns nichts passiert. Wir alle sind sehr angespannt. Und dann hören wir den Hilferuf auf Kanal 16, dass ein anderes Boot angegriffen wird. Die Attacke ereignet sich weniger als zwei Seemeilen von uns entfernt. Wir können alles mithören. Die Küstenwache rät dazu, den Motor zu stoppen, die Segel zu bergen und sich möglichst still zu verhalten. Einen Ratschlag, den wir im Falle eines Angriffes nicht befolgt hätten.

Schnell in flaches Wasser

Aufgrund der Gespräche mit anderen Skippern haben wir uns dazu entschieden im Falle einer Orca-Attacke oder Sichtung möglichst schnell unter Maschine in Richtung flacheres Wasser zu fahren, um den Tieren so vielleicht zu entkommen. Andere Boote hatten mir dieser Taktik bereits Erfolg. (Und nur zwei Wochen nach unserer Abreise übernimmt auch die Küstenwache diese Empfehlung).

Das letzte Netz direkt vor Tarifa

Wir hören gespannt mit, wie es dem Boot ergeht. Sie verlieren bereits nach kurzer Zeit ihr Ruderblatt. Die Küstenwache schleppt sie nach Barbate. Für uns geht es noch weiter bis Tarifa. Als wir dort um 18 Uhr ankern, sind wir einfach nur glücklich und erleichtert. Es war ein super anstrengender und nervenaufreibender Tag. Aber nun ist die größte Orca-Gefahr gebannt. Morgen geht durch die Straße von Gibraltar und dann in ein paar Tagen weiter nach Mallorca.

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