“Fuck you” – Erlebnisse als Skipperin

Sexistische Sprüche, Angrabschen des Pos, abgestellt werden in der Pantry oder einfach ignoriert werden: Als Frau an Bord erlebt man immer wieder spannende Dinge. Auf der Überführung der Excess 11 ging es aber noch einen Schritt weiter. 


Journalismus, Politik, Segeln: Ich bin es gewohnt, mich in von Männern geprägten Berufen zu behaupten. Im Segelsport ist es noch immer selten, dass Frauen das Steuer übernehmen und ein Boot als Skipperin führen. Gewerblich noch seltener. Das ist nicht ungewöhnlich, denn häufig werden Frauen an Bord nicht respektiert. Wie schlimm es sein kann, habe ich neulich bei einer Überführung einer Excess 11 von Les Sables-d´Olonne nach Flensburg erlebt. Spoiler: Ich habe es überlebt und lasse mich nicht unterkriegen 😉 Meine Erlebnisse will ich aber dennoch teilen. 

Ein letzter Blick zurück: Unser Starthafen Les Sables-d´Olonne in Frankreich.

Als Skipperin für eine Überführung gebucht

Sexistische Sprüche, Angrabschen des Pos, abgestellt werden in der Pantry oder einfach ignoriert werden: Als Frau an Bord erlebt man immer wieder spannende Dinge. Auf der Überführung der Excess 11 ging es aber noch einen Schritt weiter. 

Ich als Skipperin am Steuer unserer ANNETTE, der brandneuen Excess 11

Ich war als Skipperin gebucht, um den neuen Katamaran von Les Sables nach Flensburg zu überführen. Meine Crew suchte ich mir selbst zusammen. Interessantes Detail: Alles Männer. Denn auch ich kenne nur wenige Frauen, die Lust auf solch einen Törn hätten. Und diese wenigen hatten keine Zeit. Da jedoch ein Crewmitglied kurzfristig absagte, füllte mein Auftraggeber auf. Sie buchten einen Franzosen, angeblich Mitte 50, der ihnen von der Werft empfohlen wurde und dieses Boot schon häufiger überführt haben sollte. Von der “Local Knowledge” sollte ich profitieren und für die Zukunft lernen. 

Unser Boot: Die Excess 11 mit dem Namen Annette

Alles klar, dachte ich mir. Damit kann man arbeiten. Am Telefon schien unser neuer Mitsegler auch sympathisch. Als Alain dann am nächsten Tag an Bord kam, war die Überraschung groß. Mitte 50 ist allenfalls sein Baujahr. Der sympathische Eindruck vom Vortag war auch schnell vergessen. 

Ein ungeplantes Crewmitglied

Er hatte das Boot noch nicht betreten, da machte er deutlich, dass er der Boss an Bord sein will. “Komm auf den Steg und nimm mir die Tasche ab”, war die freundliche Begrüßung. Eine Vorstellung oder Händeschütteln gab es nicht. 

Der dritte im Bunde – Holger –  war noch zum Einkaufen unterwegs und ich musste noch einiges vorbereiten. Denn Alain war zwei Stunden eher an Bord gekommen als vereinbart.
Als ich ihn nach seinem vollständigen Namen und Zertifikaten für Crewliste und Logbuch fragte, zeigte er mir diese nur widerwillig. 

Mein Crewmitglied Holger unterstützte mich auf der schwierigen Etappe sehr! Ohne ihn hätte ich den Job als Skipperin vermutlich hingeworfen!

Die anschließende – sehr kurz gehaltene – Sicherheitseinweisung hielt er für unnötig, rollte dabei ständig mit den Augen und machte Druck, wir müssten endlich ablegen. Wieso, erklärte er nicht. Er drängelte. Da mir mein Auftraggeber deutlich gemacht hatte, dass ich von Alain lernen solle, beugte ich mich seinen “Wünschen”. Um 12 Uhr waren die Leinen los – aber nicht ohne eine vorherige Diskussion darüber, ob ich denn das Boot auch wirklich selbstständig ablegen könne. 

Die Anordnungen der Skipperin….

So ging es unterwegs dann auch weiter. Meine Anordnung, killende Segel zu bergen, wurde nur widerwillig und mit offenkundigem Murren erledigt. Die Anweisung, im Cockpit eine Rettungsweste zu tragen, ignorierte er. Nach mehrfachen Hinweisen trug er sie dann doch: Allerdings geöffnet, ohne Schrittgurt und nur über eine Schulter gelegt. 

Eine schöne Stimmung auf See. Da ahnten wir noch nichts von der Problematik mit dem Autopiloten

In der ersten Nacht fiel unser Autopilot aus. Wir mussten also per Hand steuern. Morgens begaben Holger und ich uns auf die Fehlersuche. Im ständigen Kontakt mit dem Bootsbauer aus Flensburg versuchten wir unser Möglichstes, um die Fehlerursache zu finden. Währenddessen steuerte Alain das Boot. Das glaubten wir zumindest. Plötzlich lief er im Salon an uns vorbei, verschwand in seiner Kammer. Das Steuer übergeben hat er nicht, etwas zu uns gesagt auch nicht und das Boot fuhr in aller Ruhe einen Kreis. Ich ging raus, übernahm das Ruder. Als er dann zurück an Deck kam, wies ich ihn freundlich darauf hin, beim nächsten Mal doch bitte kurz Bescheid zu geben. Dann könnte jemand für ihn übernehmen. Einige Stunden später, mittlerweile hatten wir die Segel gesetzt, passierte das Gleiche. Alain ging vom Steuer weg. Die Patenthalse konnten wir zum Glück noch verhindern.

„Lass mich in allein“

Darauf angesprochen, wurde er laut. Alain schrie mich lautstark an: “Ich bin seit über 20 Jahren Segler, ich weiß was ich tue. Lass mich allein! Lass mich allein.” Dazu sagte ich nichts mehr. Ich übergab das Steuer wieder an ihn und begab mich erneut auf Fehlersuche. Holger und ich dachten uns unseren Teil. 

Je länger wir unterwegs waren, umso angespannter wurde die Stimmung. Alain redete nicht mit mir, schaute mich nicht an und ignorierte auch meine Anweisungen. Nach Wachübergabe am Steuerstand stehend, beobachtete ich Alain, wie er sich Wein einschenkte und die beim Ablegen noch fast volle Flasche Rotwein leerte. Meine Ansage, dass unterwegs an Bord 0,0 Promille herrschen sollte, hatte er wohl vergessen…

Am letzten Tag vor Cherbourg eskalierte es dann vollends. Ich ließ die Segel setzen. Nachdem das erfolgt war,  schaltete ich die Motoren in den Leerlauf, um zu schauen, wie schnell wir sein würden. Alain passte das nicht. Er blaffte mich an, ich solle doch gefälligst die Motoren wieder aufdrehen. 

Ich erklärte ihm meine Beweggründe. Ihm passte es nicht, er brachte aber auch keine Argumente. Meine Antwort darauf fiel deutlich aus: Ich bin der Skipper, das ist meine Entscheidung. 

Anschreien und Beschimpfen der Skipperin

Daraufhin drehte Alain vollends durch. Er schrie: “Du bist ein blutiger Anfänger, du hast keine Ahnung, was du tust. Deinetwegen haben wir schon den Raz du Sein (eine Engstelle mit starken Strömungen) verpasst. Ich habe mehr als 30 Jahre Erfahrung, hör auf das, was ich dir sage. Fuck you! Fuck you!” Anschließend stieß er mich zur Seite, legte die Gashebel so um, dass wir mit 3000 Umdrehungen fuhren und ging in den Salon. 

Rund eine halbe Stunde später ging es weiter: Ich wollte um Alderney herumfahren, da ich innen herum bereits schlechte Erfahrungen inkl. Ruderschaden erlebt habe und daher lieber einen Zeitverlust in Kauf nehmen wollte. Holger und ich saßen im Cockpit, als Alain rauskam und schrie: “Was du machst ist scheiße, du hast keine Ahnung, was du tust. Sobald wir wieder Netz haben, rufe ich deinen Auftraggeber an und lasse dich von Bord nehmen!” Damit endete er und knallte die Salontür lautstark zu. Eine Erklärung lieferte er nicht. Holger ging rein und versuchte zu vermitteln. Er hatte insofern Glück, dass Alain noch mit ihm sprach und dann mal seine Pläne erklärte. 

In der Nacht kamen wir zum Glück in Cherbourg an. Ich hatte bereits eine Ablösung für Alain organisiert. 

Der Abschied gestaltete sich dann genauso freundlich wie die vorherige Reise. Auf die Frage, wann er das Boot verlasse, antwortete er erneut gereizt. Auf die Bitte, schon etwas vor Ankunft des neuen Crewmitglieds zu gehen, damit wir noch ausreichend Zeit zum Putzen hätten, wies er gewohnt höflich zurück: Er knallte mir die Tür vor der Nase zu und schrie mich an, ich solle ihn alleine lassen. 

Dankbar für eine tolle Crew! <3

Konversation betrieb er in der Zwischenzeit nur mit Holger. Ähnlich fiel dann auch der Abschied aus: Holger gab er noch Tipps für die weitere Strecke, mich ignorierte er komplett. 

Als Alain dann von Bord war, löste ich mich aus meiner Schockstarre. Zwischendurch hatte ich mich mehr als einmal gefragt, warum ich mir das überhaupt antue. Doch ab Cherbourg erlebten wir eine wunderbare Reise. 

Abendstimmung im Yachthafen von Ijmuiden

Bis Ijmuiden waren Holger und Benni an Bord. Holger, ein sehr erfahrener Segler aus Süddeutschland, war schon bei der Etappe bis Cherbourg meine mentale Stütze im Konflikt mit Alain. Benni, mein ehemaliger Segellehrer, hat mich vor 20 Jahren bei meinen ersten Schritte im Segelsport begleitet. Mit beiden funktionierte die Etappe wunderbar. Wir haben viel gelacht, uns mal geneckt und sind auch bei super schwierigen Bedingungen heil in Ijmuiden angekommen. 

Dort erwartete uns dann ein Crewchange. Fabi und Flo kamen an Bord. Fabi kannte ich schon von mehreren Törns, mit Flo sollte ich das erste Mal zusammen segeln. Doch auch hier mein Fazit: Trotz Fabis Seekrankheit sowie sehr viel Wind und Welle in der ersten Nacht kamen wir sehr gut miteinander zurecht. Dazu kommt, dass Flo ein wahrer Meister in der Küche ist, uns mit 1,7 Kilo Steak verwöhnte und lecker für uns kochte. 

Mit Fabi und Flo in der Schleuse Brunsbüttel. Die beiden haben mich sehr dabei unterstützt in die enge Schleuse zu fahren….

Alle vier unterstützten mich vollkommen, akzeptierten meine Entscheidungen ohne zu Murren und setzten meine Anweisungen um. Getreu der “Demokratur” haben wir einige Entscheidungen natürlich auch im Vorfeld besprochen. Doch letztlich haben sie meine finale Entscheidung und die daraus resultierenden Anweisungen immer respektiert und befolgt. Und noch viel besser: SIe haben mir gezeigt, dass nicht alle Männer an Bord – auch wenn sie 20 Jahre oder mehr Älter sind als ich – ignorante Arschlöcher sein müssen. Sie haben mich als Schiffsführer respektiert und hatten nach der katastrophalen ersten Etappe auch sehr viele positive Worte für mich. Als Benni schon wieder von Bord war schrieb er aufmunternd: “Du hast einen sehr guten Weg gefunden, ein Schiff zu führen.” 

Glücklich angekommen in Flensburg. Ich bin meinen Männern sehr dankbar für den tollen Support. So ist der Job als Skipperin eine wahre Freude 🙂

Auch wenn ich auf der ersten Etappe gezweifelt habe und den Job manchmal am liebsten hingeschmissen hätte: Ich habe mich nicht unterkriegen lassen und habe es bis zum Ende durchgezogen. Ab Cherbourg hatten wir eine echt coole Zeit. 

Ich bin verdammt stolz auf mich und meine super Männer-Crew! 🙂 

Ach… Benni… du nervst! 🙂

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